Reisebericht 2016

Reisebericht von Obermaier Erwin und Birgit

06.11.16

„Ihr werdet sie am Flugplatz ganz sicher erkennen… “ hat Bernhard gemeint und damit Recht behalten. Schwester Rosa Maria und Schwester Helen in Begleitung von Daniel und Kathy haben uns sofort in Empfang genommen und gleich im Anschluss sechs Jugendliche herbei gewinkt, die uns mit Plakaten, Umarmungen und Küssen gleich hautnah in die Begrüßungsrituale von Bolivien eingeweiht haben.

Wir sind ja schon weit herum gekommen, aber ein solch herzliches „Bienvenida“ haben wir noch nirgendwo genießen dürfen. Schnell sind damit die Strapazen der Flüge um den halben Erdball ebenso vergessen wie das steinzeitliche Öffnen aller Koffer bei der Einreisekontrolle am

„Internationalen Flugplatz“. Obwohl alle Ablaufdaten der mitgebrachten Lebensmittel des Herrn vor uns in der Schlange ebenso wie die gebrauchte Damenunterwäsche seiner Begleiterin sich doch als brauchbare Mittel gegen unsere Müdigkeit erwiesen haben ……..

Gemeinsam treten wir hinaus in die gleißende Wärme vor der Empfangshalle und wissen schlagartig, dass unsere Augen ohne Sonnenbrillen ebenso verloren und überfordert sind wie unser Wärmeempfinden. Der Wetterbericht hatte also doch nicht gelogen: Hohe Luftfeuchtigkeit in Santa Cruz della Sierra und 40 ! Grad Celsius.

Wir verabschieden uns von der extra mit einem Bus angereisten Jugendgruppe und genießen die Vorzüge des bequemen Toyotas, der sich als Privatlimousine für die nächsten Tage ebenso herausstellen sollte wie die Sitzverteilung auf der Rückbank: Unsere beiden Schwestern, Kathy und Birgit. In einem bunten Gemisch von Englisch und meinem mühsam erarbeiteten Spanischbrocken geht es zum Ausweichquartier des Schwesternhauses, denn die eigentliche Unterkunft wird gerade umgebaut.

Erster Eindruck: Außen staubige Straßen und eine drei Meter hohe Backsteinmauer mit Glasscherbenkrone und automatischem Schiebetor, innen selige Ruhe und ein mehrgängiges Begrüßungsessen aus der Schwesternküche. Wir freuen uns über die guten Deutschkenntnisse von Schwester Martha und die verschiedenen Sorten von Koch-und Essbananen. Gestärkt und erstaunlich munter werden wir ins Zentrum von St. Cruz chauffiert, wo uns Bernhard ein blitzsauberes Hotelzimmer gleich am Hauptplatz reserviert hat.

Auch wenn Sonntag ist und alle Läden dicht gemacht haben (scheint alles sehr katholisch zu sein) gelingt es einem Hotelangestellten unser erstes Geld im Nachbarpark zu wechseln, sodass wir gerüstet sind für die notwendige fünfstündige Verlängerung des Tages aufgrund der Zeitverschiebung, denn das ersehnte Niederlegen wäre für den Ausgleich des Jetlags doch nicht ratsam. Wir suchen also ein von Bernhard geschätztes Lokal mit Aussicht gleich neben dem Hotel auf, sammeln erste Eindrücke vom bunten Leben neben der Kathedrale und gewöhnen uns langsam an die Saunaverhältnisse und den für uns Europäer extremen Sonnenstand.

07.11.2016

Eigentlich recht brauchbar ausgeschlafen werden wir pünktlich von Daniel und Kathy abgeholt, um als erstes unsere beiden Schwestern abzuholen, die derzeit in ihrem eigentlichen Quartier auf einer Baustelle wohnen. Wenn man als Bauingenieur an die Arbeitsbedingungen und Vorschriften bei uns in Tirol gewöhnt ist, wird einem schlagartig klar: Wir sind in Südamerika. Detaillierte Beschreibungen der nicht vorhandenen Sicherheitsvorkehrungen, Schalungsabstützungen bzw. Baustoffüberwachungen müssen an dieser Stelle schon allein aus Haftungsgründen entfallen.

Auf unserem Weg zum Kindergarten laden wir unter fachkundiger Anleitung von Schwester Rosa Maria noch schnell eine ordentliche Zahl von Kartons mit Süßigkeiten auf, sodass uns beiden bewusst wird, dass unser Kontingent an von daheim mitgebrachten Zuckerln und Malstiften für alle Kinder bei weitem nicht ausreichen wird. Wir haben zwar alle Hohlräume der Koffer bis zum Maximum der erlaubten nur 23 Kilo mit Mitbringseln vollgestopft, aber es dürfte sich um eine doch eher große Anzahl von Kindern handeln … ?!

Und es sind wirklich viele Kinder und Klassen, die wir besuchen kommen. Gruppe für Gruppe ist auf den stellvertretenden Besuch ihres Doktor Bernardo vorbereitet, verwöhnt uns mit Gesängen, Geschenken und einer unvergesslichen Anzahl von herzlichen Umarmungen und Begrüßungsküssen. Jedes einzelne Kind stellt sich in die Schlange, um die angereisten Freunde von Bernhard persönlich zu begrüßen und damit ihre ganz offensichtliche Dankbarkeit auszudrücken. Auch die sehr motivierten

„Tanten“ und Betreuerinnen lassen es sich nicht nehmen und zeigen uns ganz emotional und persönlich, dass sie sich ihres Glücks bewusst sind, in dieser von Bernhard geschaffenen Einrichtung arbeiten zu können.

Die Sauberkeit der Klassenzimmer, Toilettenanlagen und auch der Küche strahlen ein Alleinstellungsmerkmal aus, das so gar nicht in die Umgebung passt. Allein die Zufahrtsstraße hat ihren Namen nicht verdient (wären wir trotz geländegängigem Fahrzeug bei Regen überhaupt bis zum Kindergarten gekommen ??) und die nächste Umgebung ist zwar überwiegend grün aber übersät mit Bauschutt, Müll und herumstreunenden, herrenlosen Hunden.

Da tut es wohl, von einem durchgehenden Zaun umschlossen zu sein, all die Kinder in ihren adretten Uniformen beim Spielen zu beobachten und sich bewusst zu sein, dass sich alle auf einer Insel der Seligen befinden.

Nicht weit entfernt besuchen wir eine Schule, wo wiederum offensichtlich alle Schüler und Lehrer auf den hohen Besuch aus Europa warten. Durch ein Spalier von Jugendlichen werden wir in eine Klasse mit vielen Transparenten begleitet, um dort in den wenigen Spanischvokabeln zu erklären, dass wir stellvertretend die herzlichsten Grüße von Dr. Bernardo überbringen dürfen. Mit Musikbegleitung geht es weiter zum angrenzenden Erweiterungsbau von Bernhard, durch den uns der natürlich eigens angereiste Bauleiter stolz führt. Alle freuen sich über die großzügig neu gestalteten Klassenzimmer, der genannte Fertigstellungstermin dürfte allerdings ein sehr optimistisch genanntes Datum sein. Egal, denn Zeit spielt in diesem Land eine ganz andere Rolle als in unserem Alltag zuhause.

Schräg gegenüber befindet sich das Colegio „Santa Rosa de Lima Fe y Alegria“, von dem wir Kufsteiner Rotarier schon oft von unserem Freund Bernhard gehört haben und dabei ein wenig stolz sind, da wir ihn in seinen Bemühungen unterstützen konnten. Mauer mit Security umgrenzen den Komplex, in dem neben einer Tagesstätte für Mütter eine stattliche Anzahl von Klassen einen überdachten Innenhof umgeben. Eine angeschlossene Großküche sorgt für das leibliche Wohl und die Versorgung wohl auch in der nächsten Nachbarschaft. Wir besuchen einige Klassen und haben das Glück, bei einer Englischstunde hineinzuplatzen. Endlich sind es einige Informationen mehr, die wir austauschen können und die vielen wirklich hübschen Schülerinnen danken uns die offenbar lustige Unterbrechung mit viel persönlicher Aufmerksamkeit.

Quasi als Dank für unsere Kondition und hoffentlich auch gutes Benehmen verwöhnen uns unsere Begleiter unter der Aufsicht von Schwester Rosa Maria mit einem anschließenden Besuch in einem Tierpark. Allein schon die Fahrt quer durch die Stadt bei viel Staub, kaum möglicher Orientierung und zuletzt wieder sehr bescheidenen Straßenverhältnissen verstärkt unseren Wunsch nach einem Bett, aber es gibt kein Schwächeln. Erst unsere bereits auf Halbmast stehenden Augen beenden das Tagesprogramm und wir sind dankbar über das ruhige Hotelzimmer.

08.11.2016

Eigentlich wollten wir heute einige Familien besuchen, doch ein morgendlicher mehrstündiger Wolkenbruch macht die Straßen außerhalb des Zentrums unpassierbar. Also steuert Daniel sein offenbar auch schwimmtaugliches Fahrzeug zu jenem Hospital, für das wir Rotarier mit internationaler Hilfe einen Sauerstoffgenerator gespendet haben. Auf der Fahrt dorthin wird mir bewusst, wofür die knapp zehn Meter breiten und über zwei Meter tiefen Betonkanäle zwischen den Richtungsfahrbahnen der Hauptstraßen notwendig sind: Sie haben sich als Zentralsammler in reißende Bäche verwandelt, die auch alle angrenzenden Flächen entwässern.

Beim Krankenhaus angekommen, finden wir zwar einen Parkplatz gegenüber aber keine Fußgängerquerung über die Straße, die nicht knietief unter Wasser steht. Per Pkw werden wir zum Eingang gelotst, dort von einem Arzt in Empfang genommen und in den Verwaltungstrakt begleitet. Dabei durchqueren wir die langen Gänge der Aufnahme, in denen Patienten erst auf eine Nummer warten, um überhaupt behandelt zu werden. Gern würde ich hier einen Film drehen und diesen unserem Bezirkskrankenhaus für jene Patientenbeschwerden zur Verfügung stellen, die in einer der Ambulanzen einmal eine „Stunde“ haben warten müssen. Zeit spielt in diesem Teil der Erde eben wirklich keine Rolle!

Obwohl unser Besuch erst heute angekündigt, versammelt sich die gesamte ärztliche Leitung des Hospitals, um einen Vertreter ihres Kollegen und Gönners Dr. Bernardo zu empfangen. Wir werden durch alle Abteilungen geführt, um dann bei „unserem“ Generator zu landen, der stolz präsentiert wird. Denn erst seit dessen Einrichtung ist es möglich, alle Patienten und insbesondere die Geburtenstation dauerhaft mit Sauerstoff zu versorgen und damit Leben zu retten.

Bei der Krankenhausführung bin ich eher von der Freundlichkeit des Personals angetan, während sich Birgit als Therapeutin schon über zahlreiche Details der Hygiene bis hin in den OP nur wundert. Eben ganz andere Verhältnisse.

Der Regen hat nachgelassen und wir kämpfen uns weiter in Richtung Schul-Colegio vor. In dessen Nähe ist bereits vor einiger Zeit eine wichtige Verbindungsbrücke eingestürzt, sodass die Bewohner und insbesondere viele Schüler große Umwege in Kauf nehmen müssen. Ein Fußgängertrampelpfad auf dem abgestürzten Brückenmittelteil zeigt, dass sich die Bolivianer auf unveränderbare Gegebenheiten offenbar rasch einstellen. Die Ablagerungen von Schutt und Müll im angrenzenden Flusslauf erinnern mich daran, dass etwa eine Wasserrechts- oder Naturschutzbehörde a la Tirol hier offensichtlich nicht funktioniert oder gar existiert -doch zurück in die Realität:

Wir erreichen die „sichere Insel“ des Colegios und erinnern uns an die Vorhersage von Bernhard: „Sie werden sicher etwas vorbereiten ….. „.

Und wie: Die ganze Schule ist auf den Beinen, um im zentral überdachten Innenhof mit Bühne den Freunden von Dr. Bernardo ihre Dankbarkeit zu zeigen. Tanzaufführungen von in bunten Trachten gekleideten Kinder- und Jugendgruppen wechseln mit Ansprachen der Schulleitung, der Eltern- und Lehrervertretung. Diese tragen auch extra für uns aufwendige südamerikanische Trachten und tanzen in mitreißenden Rhythmen. Ich überstehe meine erste kurze Rede auf Spanisch recht ordentlich und freue mich darüber, dass ich selbst einiges verstehe – das Vokabelpauken hat kleine Früchte getragen!

Im Anschluss an den offiziellen Teil treffen wir viele Kinder und Jugendliche, die extra angereist sind und unbedingt ein gemeinsames Foto mit den Freunden ihres Bernhards brauchen. Beim Vorstellen lernen wir mit der Übersetzungshilfe von Schwester Helen Schicksale von Jugendlichen und Hilfestellungen für Bedürftige kennen, die berühren. Wie breit gestreut die Aktivitäten des Vereins

„Brillos“ in der Praxis sind, können wir nur erahnen und wissen noch nicht, wie tief uns die Besuche der jeweiligen Familien übermorgen bewegen werden.

Natürlich gibt es noch ein gemeinsames Essen mit allen Schwestern, Lehrern, Elternvertretern und Helfern. Wir vergessen nicht, uns nochmals für die ganz öffentlich ausgepackten Geschenke zu bedanken und sind ratlos, wie diese alle in den bereits vollen Koffern Platz finden sollen.

Wieder streichfähig nach all den Eindrücken und Erlebnissen dieses langen Tages nützen wir die wenigen Stunden Schlaf.

09.11.2016

Um den frühen Flug nach Sucre zu erreichen müssen wir noch viel früher aufstehen und sind dankbar für die Verlässlichkeit unseres Begleiters und Chauffeurs Daniel. Dieser seinerseits ist wiederum angewiesen, auch in aller Herrgottsfrüh ja Schwester Rosa Maria nicht zu vergessen, die großen Wert darauf legt, ihre Schützlinge nicht nur zum Flugplatz sondern winkend bis hinter die Sicherheitskontrolle des letzten Gates zu begleiten.

Entsprechend beschützt gelangen wir nach einem ruhigen Flug über nahezu unbewohnte Gebirgslandschaften in die eigentliche Hauptstadt Boliviens. Dort empfängt uns wiederum eine Vertreterin jener Schule am Airport, die wir heute besuchen wollen. Da die Direktorin selbst nur Spanisch und das ortsübliche Quechua spricht, hat sie uns ihre Englischlehrerin geschickt.

Diese quirlige Dame genießt sichtlich, dass sie sich heute in ihrer Unterrichtssprache unterhalten kann und führt uns am verbleibenden Vormittag ins Zentrum dieser auf bereits 2800 Meter gelegenen weißen Kolonialstadt. Nach den letzten Tagen kommen wir uns als Touristen schon etwas komisch vor, aber der Nachmittag wird dieses aufkeimende Gefühl rasch wieder relativieren.

Wir fahren mit dem öffentlichen Bus, umgeben von Einheimischen und mittransportierten Milchkandeln, in die ca. 15 Kilometer außerhalb von Sucre gelegene Ortschaft Yotala.

Hier wird im Einzugsgebiet von ca. 10.000 Bewohnern der Umgebung im Mehrschichtbetrieb eine große Schule betrieben. Sie dürfte, erschlossen von ausschließlich steingepflasterten Straßen und Wegen, das größte Gebäude in Yotala sein. Wir werden von der Direktorin Gaby empfangen, durch einige Klassenräume geführt und Lehrern und Schülern als Freunde von Bernhard vorgestellt. Diesmal dürfen wir an einer Tanzvorführung teilnehmen, die nicht eigens für uns sondern als Vorbereitung für eine Veranstaltung am Wochenende dient. Ein gemeinsames Fußballspiel von Buben und Mädchen im Innenhof der Anlage vermittelt uns ebenfalls den Eindruck von unbeschwerten Jugendlichen.

Aber jetzt zum eigentlichen Zweck unserer weiten Anreise:

Da ganz offensichtlich alle Räumlichkeiten aus den Nähten platzen, hat Bernhard einen großen Zubau mit über zehn Klassen errichten lassen, der kurz vor der Vollendung steht. Einige Unterrichtsstunden finden bereits im neuen Trakt statt und die jetzt ordentlich eingerichteten Klassenzimmer werden uns mit großem Stolz präsentiert. Lehrer und Schüler strahlen uns stellvertretend für ihren Engel aus Europa an.

Sehr bescheidene Einrichtungen zum Sammeln von Regenwasser im Altbestand fallen ebenso auf wie die Sanitäreinrichtungen und die immer noch armseligen Räume zur Dauerunterbringung von verwaisten Schülern.

Diese werden auch in den Ferien notdürftig versorgt, da ihr Zuhause diese Schule ist. Die zugehörigen Schlaf- und Aufenthaltsräume wären ebenso dringend zu sanieren - auch wenn diese Wünsche nicht offen ausgesprochen werden.

Der Kontakt zwischen Lehrern und Schülern scheint in dieser Schule sehr vertrauensvoll zu sein, da allein die uns begleitende Englischlehrerin mehrmals von ratsuchenden Schülern kontaktiert wurde und sie sich in eher mütterlicher Art um die Anliegen ihrer Schutzbefohlenen gekümmert hat.

Die Dunkelheit bricht rasch herein, die Jugendlichen besteigen für den Nachhauseweg bereits überfüllte Kleinbusse und wir zwängen uns in den Miniwagen eines hilfsbereiten Lehrerkollegen, der auf der Rückfahrt nach Sucre eine Straße benützt, die bestenfalls die Bezeichnung ausgewaschener Almweg verdienen würde.

Er erzählt uns dabei von Arbeitsbedingungen und Episoden aus dem Schulalltag, die bei uns daheim nicht einmal von Vertretern der Lehrergewerkschaft geglaubt würden.

Dem Rat von Bernhard, auf der Dachterrasse der hoch über Sucre gelegenen Unterkunft im Kolping ein Glasl zu genießen, können wir aufgrund der uns auch heute überfallenden Müdigkeit leider nicht nachkommen, denn auch diese Nacht wird wie bereits gewohnt kurz werden.

10.11.2016

Wieder früher Morgenflug vom ca. 25 Kilometer außerhalb von Sucre gelegenen ganz neu errichteten Flugplatz zurück nach Santa Cruz. Beim Landeanflug wird uns die im Unterschied zur Hauptstadt so grüne Umgebung von Santa Cruz bewusst. Eigentlich wächst hier alles und die Leute könnten sich doch bestens selbst versorgen wenn nicht … es sind einfach zu viele Gründe, die uns einfallen.

All unsere Freunde holen uns am Airport wie immer freudestrahlend ab und begleiten uns zu Familien, die von Bernhard auf die unterschiedlichste Weise unterstützt werden. Das Ausmaß an Dringlichkeit, Armut und widrigsten Lebensbedingungen wird uns an diesem Tag mit voller Wucht vor Augen geführt und übertrifft leider die schlimmsten Befürchtungen.

Wir treffen hübsche, fleißig studierende Mädchen, die in sichere Unterkünfte eingemietet wurden, um sie vor Bedrohungen durch Banden zu schützen (eigener Bruder hat auch ein Drogenproblem), freuen uns mit Familien, deren Holz-Bruchbude vom letzten Sturm zerlegt wurde, über eine festgemauerte Unterkunft oder bekommen Einblicke in den so ursprünglichen Alltag in den Hütten und Unterkünften rund um das Colegio. Für uns einfach kaum zu verdauen ist ein Besuch bei einer von Bernhard bereits mehrfach an der

Leiste operierten Frau, die ihren schwerstbehinderten Sohn in primitivsten Verhältnissen betreut. Nicht nur die Einfachheit der Unterkunft sondern auch noch die extreme Geruchsbelästigung durch nahe Abwasserprobleme der gesamten Gegend ist erschreckend. Wenn der Staat schon seine ursprünglichsten Aufgaben wie Grund-, Bildungs- oder Gesundheitsversorgung bei den Nichtbehinderten nicht erfüllt, sind solche Fälle natürlich ganz am Rand der Gesellschaft angesiedelt.

Dass es so weit fehlt, hätten nicht erwartet!!

Besonders berührend ist der Besuch bei einer „Familie“ bestehend aus sechs Kindern, die ebenfalls in ummauerten Räumlichkeiten sicher untergebracht wurde. Der Vater ist aufgrund von Alkoholproblemen jahrelang schon nicht mehr greifbar, die Mutter ist letztes Jahr verstorben. Die erst achtzehnjährige älteste Schwester hat in vorbildlicher Art die Mutterrolle übernommen, den jüngsten Mädchen sind wohl auch aus Kummer die Haare ausgefallen ………… Gott sei Dank gibt es in diesem Meer aus Armut Bernhard und die Schwestern vor Ort, um dieses Elend zu lindern!

Wir werden informiert, dass ein Arztkollege und Freund von Bernhard, der bereits in Kufstein war, von unserem Aufenthalt erfahren hat und uns unbedingt treffen will. Bei einem zusätzlich in das bereits volle Tagesprogramm organisierten Essen lernen wir erneut Bolivianische Gastfreundschaft und eine Menge von Rahmenbedingungen in Bereichen von Politik und Gesellschaft kennen.

Am Abend genießen wir bei einem gemeinsamen Abschiedsessen, natürlich im Lieblingslokal von Bernhard, die Offenheit unserer neuen Freunde. Neben allen Schwestern und Daniel mit Kathy ist auch noch ein Arzt vom Hospital mit seiner Familie gekommen, ein Zweiter entschuldigt sich sehr persönlich aufgrund einer Notoperation.

Die fast ausgelassene Atmosphäre verdeutlicht uns, dass all die Engel von Santa Cruz bestens mit einem Alltag umgehen können, an dem wir kauen, obwohl er uns beiden nur stichprobenartig vorgestellt wurde. Einfach nur bewundernswert!

11.11.2016

Auch an diesem Tag brechen wir bereits lange bevor das Frühstücksbuffet öffnet zum letzten Mal zum Viru-Viru-Airport auf, um unseren Südamerikatrip fortzusetzen.

Als uns Bernhard vor einigen Monaten informierte, dass es ihm ausgerechnet heuer nicht möglich ist, gemeinsam mit uns im November in seine zweite Heimat nach Bolivien zu reisen, hatten wir das Glück, uns im Anschluss an unsere bestens beschützten und jetzt bereits unvergesslichen Tage in Santa Cruz einer Alpbacher Reisegruppe anschließen zu können. Wenn wir schon um die halbe Welt fliegen, um das bereits Jahre alte Versprechen eines Besuches der Hilfsprojekte von Bernhard einzulösen, wollen wir doch auch noch weitere Eindrücke von Peru und Bolivien mitnehmen.

Bernhard hat uns versichert, dass alles in Santa Cruz für unseren Besuch vorbereitet ist. Dass wir dann doch so viele Momente quasi im „William und Kate Modus“ unterwegs waren, ist uns bewusst, aber für Europäische Frischlinge in Bolivien doch auch sehr ratsam.

Wie immer bestens versorgt, diesmal mit Tabletten gegen eventuelle Höhenprobleme auf über 4000 Meter in La Paz, trennen wir uns von all unseren herzlich winkenden Beschützern. Lange umarmen wir jene Menschen, denen es in kurzer Zeit gelungen ist, die Freunde von Bernhard zu ihren zu machen.

Wir freuen uns auf die weitere Reise in für uns unbekannte Landschaften und sind dabei überrascht, dass sich unsere Festplatten schon mit den intensiven Erfahrungen dieser wenigen Tage fast voll anfühlen. Den Maßstab unserer Tiroler Sichtweisen dürfen wir nicht an das Erlebte anlegen, denn wir werden nicht vergessen, dass wir trotz aller für uns unerwartet widrigen Lebensverhältnisse viele, viele glückliche Menschen gesehen und kennengelernt haben.