Reisebericht 2015

15.11.2016

Die Reise nach Bolivien ist jedes Jahr doch ein bisschen eine Aufregung. Dazu heuer der Streik bis Freitag, mein Flug geht am Samstag abends. Die Unsicherheit, ob alles klappt, das Übergepäck mitgenommen werden darf, was mich dort wieder alles erwartet. Ich freue mich trotzdem, abge- sehen davon, kann ich nicht mehr zurück. Nach 15 Jahren Bolivien bin ich von dem Virus infiziert ….

Am Flughafen Innsbruck kann ich mein Übergepäck problemlos einchecken. Der Flieger geht pünktlich nach Frankfurt ab, dort habe ich zwei Stunden Aufenthalt. Ich schau ein bisschen in die Runde der Wartenden: viele verschiedene Gesichter, alt, jung, sehr jung, kleine Kinder … Dann geht`s pünktlich hinein. Ich bin ganz hinten auf Sitz 44b. Einige Sitze sind schon gefüllt, es geht langsam. Der Flug ist ruhig, keine Turbulenzen, nur die Kinder sind unruhig und weinen immer wieder. Ich nehme etwas, damit ich schlafen kann. Das wirkt, zumindest für ein paar Stunden. In Sao Paulo habe ich vier Stunden Aufenthalt, dann geht`s weiter nach Santa Cruz. Ich habe von Dr. Jorge die Nachricht, ich solle mich am Zoll bei Fr. Kerry melden, damit es problemlos mit meinen schweren Koffern durchgeht, das wäre mir sehr recht. Don Ruiz hätte bereits mit ihr gesprochen. Der Flieger landet früher als geplant, und ich komme recht schnell bis zum Abholen der Koffer durch. Ein Mann, der mir mit einem Gepäckswagen behilflich ist – daneben seine Hand ausstreckt – erzählt mir gleich seine ganze Leidensgeschichte. Er braucht einen Urologen, ich bin aber Chirurg, so hat das Gespräch bald ein Ende. Nun sollte ich Fr. Kerry am Durchgang finden. Sie ist auch dort und: sie weiß Bescheid. Ich muss wie alle beim Durchgang den Knopf drücken: Beim Aufleuchten von grün kann man durch, bei rot wird man kontrolliert. Ich denke, das wird schon passen. Doch es leuchtet rot auf …. Ich muss auf die rechte Seite. Eine Dame ist dort und kontrolliert – ich muss alles aufmachen. Nicht, dass ich etwas schmuggeln wollte, doch habe ich viele kleine und größere Geschenke, chirurgische Instrumente … Meine persönlichen Dinge habe ich im Handgepäck. Nur mit großer Überredungskunst kann ich die Dame überzeugen, dass es alles Geschenke für einen wohltätigen Zweck sind. Ich sage noch, dass ich bereits draußen erwartet würde, sie könne ja nachsehen und ob sie vielleicht das Krankenhaus „Villa Primera de Mayo“ kenne, den Dr. Menacho … sie würden draußen bereits auf mich warten, um mich abzuholen … und die Sozialprojekte … Ich habe keinen Moment gezweifelt, dass ich die Dame überzeugen könnte. Ich kann die Koffer wieder schließen, sie wünscht mir alles Gute und bedankt sich noch am Ende für alles. Tief durchatmen … Ich nehme meine zwei großen Koffer, meinen Handtrolley, meinen Rucksack und schau, dass alle Dokumente dabei sind – dann geht`s Richtung Ausgang. Draußen traue ich meinen Augen nicht: Rosa Maria ist da, Dr. Jorge, Dr. Adolfo, 50 Kinder und Jugendliche und alle von der Gruppe der unterstützten Student/innen. Gitarren, Trommeln und andere Instrumente begleiten ihren Gesang zum Empfang. Sie singen und tanzen und alle im Flughafensaal schauen und horchen zu … Dann fahren wir mit zwei Kleinbussen in die Stadt. Ich bin bei Hna. Rosa und den anderen Schwestern zu Mittag eingeladen. Alle anderen fahren heim. Es gibt pato (Ente) und alle möglichen Beilagen. Ich habe keinen Hunger, nur Durst … Später gehe ich in meine Unterkunft, die ganz in der Nähe ist. Ich bin im gleichen Zimmer wie letztes Jahr, das Licht geht immer noch nicht, die Schubladen sind nach wie vor kaputt, im Kasten ist alles staubig, es hat 35 Grad, eine hohe Luftfeuchtigkeit, das Bad muss ich erst durchwischen … ich bin angekommen … in einem anderen Land. Ich mag Bolivien. Der Tag ist noch nicht aus. Um 19.00 Uhr werde ich zu einem Fest mit dem Lehrpersonal vom colegio abgeholt … ich muss da hin, obwohl ich lieber schlafen würde. Dort ist was los! Es wird getanzt, musiziert und geredet, bis ich fast nicht mehr kann. Ich bin weit außerhalb von Santa Cruz. Es gibt dort um diese Zeit keine Micros mehr, keine Taxis. Einer der Festgäste – ein Lateinlehrer – den ich von den letzten Jahren kenne, bringt mich heim. Ich falle ins Bett, es ist bereits 23.00 Uhr …, daheim wäre es 4.00 Uhr morgens. In den nächsten Tage ist der Terminkalender voll …