Reisebericht 2013
Abflug am 16.11.2013
Innsbruck – Frankfurt, anschließend Frankfurt - Sao Paulo und von dort nach Santa Cruz. Der Flug ist problemlos und pünktlich, auch die Koffer kommen in Santa Cruz am Flughafen an. Heuer neu ist, daß bei jedem der einfliegt ein Foto gemacht wird. Dann wird die Ware bzw. der Inhalt der Koffer nach einem Auswahlverfahren genauestens kontrolliert - ich komme ohne Kontrolle durch. Da ich bei der Ankunft lieber alleine bin und das Taxi zu meiner Unterkunft organisiere, habe ich den Leuten dort die genaue Ankunft des Fliegers nicht mitgeteilt. Sobald ich jedoch vom Flughafen nach draußen gehe um das Taxi zu nehmen, ist eine Gruppe von etwa 30 Leuten da um mich zu überraschen. Da sie merken, dass ich doch etwas müde bin und das alles eigentlich nicht geplant war, sagen sie sie wollten mir nur einfach beim Tragen der Koffer helfen. Das ist eben die bolivianische Mentalität. Wir fahren zu meiner Unterkunft, trinken dort noch gemeinsam etwas und dann fahren sie weg da sie wissen, dass ich mich am ersten Tag etwas ausspannen und akklimatisieren muss. Am Abend will ich mir noch etwas bolivianisches Geld vom Bankomaten holen - es funktioniert aber an 3 – 4 Stellen nicht. Es ist ja Sonntag und ich glaube es kann durchaus sein, dass am Abend die Bankomaten nicht mehr funktionieren. Ich bin trotz Müdigkeit - oder vor allem deshalb - doch ein bisschen aufgewühlt und habe deshalb auch mit Sr. Rosa-Maria bereits einen Termin vereinbart um gemeinsam über das Programm zu reden und kurz grob die Tagesabläufe zu organisieren. Sie fährt nämlich morgen nach Comarapa, wo ein Treffen mit der Generalpriorin stattfindet. Ich werde in einer Woche nachkommen, dort die Projekte besuchen und die Neuen überlegen. Zusätzlich werde ich nach Saipina fahren, um dort die Zahnarztpraxis zu begutachten, die wir wahrscheinlich finanzieren werden um anschließend nach Cochabama weiterfahren. Die letzte Woche werde ich wieder in Santa Cruz verbringen, wo die Schule, die „guarderia, die infermeria“ und die neue Schule eben begutachtet werden, um die neuen Projekte zu injizieren.
Ich packe die Koffer zum Teil aus, da ich momentan nicht in Stimmung bin alles zuzuordnen und irgendwie kommt es mir wieder komisch vor, daß ich hier bin und mir wiederum alles viel zu langsam geht. Ich schlafe überraschenderweise sehr gut und wache nach etwa 8 Stunden auf - die Sonne scheint, es ist heiß, feuchte Hitze, 35°C, so wie es mir gefällt. Ich trinke einen Kaffee und habe für das Krankenhaus einiges zu organisieren, vor allem muß ich zum Bankomaten um Geld abzuheben und dazu nehme ich mir vor, das Stück des Weges zu Fuß zu gehen, weil es einfach gut tut. Ich versuche bei einigen Automaten im Zentrum Geld zu bekommen, was nicht funktioniert - nach 5 – 6 Versuchen gehe ich in eine Bankfiliale hinein, die sagen mit dann, dass nur die Mercantil diese Karte anerkennt. Dort erfahre ich, daß das Problem nicht darin liegt, sondern es ist so, daß die meisten Banken von auswärts Bankomatkarten nicht akzeptieren, nur mehr eine einzige. Ich habe die Hoffnung bereits aufgegeben, gehe dann hin zum Schalter der BNB und siehe da es funktioniert. Ich muss mich anmelden bzw. eine Chipkarte zum Aufladen besorgen - nur ein Teil der Funktionen ist möglich und in der Zentrale bei TIGO sagt mir dann letztendlich eine Dame, dass dies im System momentan ein Problem ist und deshalb nicht funktioniert. Auf die Frage wie lange es dauert meint sie, es kann heute sein oder morgen, aber sie weiß es nicht genau. Nun sitze ich da um 10.30 Uhr am Vormittag im Kaffee Alexander, trinke einen Kaffee, esse einen Toast und denke mir, ich habe jetzt 3 – 4 Stunden für diese kleinen Dinge gebraucht ... es geht mir nach wie vor alles zu langsam. Zu Mittag treffe ich mich mit Kollegen aus dem Hospital, am Nachmittag sind Familienbesuche vorgesehen, nun genieße ich aber den Toast und versuche mich ein bißchen und so langsam an diese andere Welt zu gewöhnen, wo Vieles so mühsam ist und Vieles so langsam geht. Aber was ist wichtig im Leben?
18.11.2013
Mir geht immer noch alles viel zu langsam - ich möchte, daß es schneller weiter geht. Am Abend bin ich zwar todmüde, habe aber das Gefühl, daß ich nichts geleistet habe. Peter kommt heute an. Er ist ein Freund von mir, studiert Medizin und macht gerade eine Arbeit über Chagas. Er war bereits zweimal in Bolivien, einmal davon im Krankenhaus und kann sich hier an Ort und Stelle Erfahrungen über diese Erkrankung sammeln. Wir gehen gemeinsam Essen und besprechen den Ablauf der nächsten 14 Tage.
19.11.2013
Am Vormittag sind wir im Krankenhaus bei Dr. Menacho, der wie bereits im letzten Jahr großes Interesse hätte, hier die minimal invasive Chirurgie, das heißt die Knopflochchirurgie aufzubauen. Dazu fehlen natürlich die Geräte. Das Schicken eines Gerätes von uns wäre zu kostspielig und unsicher, sodaß wir überlegen von hier ein neues Gerät anzuschaffen, Ich werde mir dies jedoch noch überlegen, da bei Beginn mit dieser Art der Chirurgie große Komplikationen auftreten können. Dr. Valdez macht Magen- und Darmspiegelungen und hat für den Nachmittag zwei Untersuchungen geplant, die mich sehr interessieren würden. Dabei geht es um die Entfernung von Ascariden (Würmern) aus den Gallengängen. Am Nachmittag werden wir jedoch um 15.30 Uhr von dem Rechtsanwalt abgeholt, der uns zum colegio bringt. Dort werden wir herzlichst begrüßt und begutachten den neuen Zubau - das ist eine Bühne mit allem Drum und Dran und daneben ein Laboratorium sowie darüber zwei Aulen für die Schule. Der Plan war vor einem Jahr fix und jetzt steht bereits das nahezu fertige Haus. Es werden viele Aufführungen dargeboten - zur Begrüßung mit Musik Tänze von den Kindern und zum Teil auch von den Müttern der Kinder. Die Begrüßung ist sehr herzlich. Es wird jedoch nicht bis 18.00 Uhr fertig werden, sodaß Peter dorthin geht wo ich die Untersuchungen bei Dr. Valdez anschauen wollte. Ich bleibe hier bis die Veranstaltung fertig ist und komme dann sehr müde in meine Unterkunft zurück.
Am Freitag sind wir wiederum von den Professoren und Schülern eingeladen, zunächst zum Volleyball spielen - ich breche mir fast die Knochen da ich die Sportart lange nicht mehr ausgeübt habe, trotzdem finden es alle sehr lustig. Am Abend treffen wir uns zum Abendessen gemeinsam in der Casa del Camba, dabei sind ca. 30 Leute.
Am Samstag sind die Familienbesuche geplant, zunächst holt uns Ronaldo ab der uns zu seiner Familie führt. Er ist der Älteste von fünf Geschwistern. Sein Vater ist gestorben als er drei Jahre war und seine Mutter als er 9 Jahre war. Er mußte sich dann mit seinen Geschwistern durchschlagen. Er wohnte in einer Blechhütte - wir haben ihm mit Spendengeldern ein kleines Haus gebaut, wo die ganze Familie nun seit dieser Zeit lebt. Er arbeitete zunächst als Mechaniker dann als Taxifahrer, sein Bruder ebenfalls als Taxifahrer. Die Schwester hat die Matura am Abend nachgeholt und wird dies heuer abschließen, einer der Brüder studiert demnächst an der Universität, die jüngste Schwester ist noch in der Oberschule. Inklusive der zwei kleinen Kinder von Viktoria freuen sie sich riesig über den Besuch und über die mitgebrachten Geschenke. Wir bekommen ein refresco in einem Plastikbecher. Von dort fahren wir dann zur Familie von Edson, auch diese Familie ist sehr arm - sie wohnen zu zwölft in einer Hütte, schlafen dort in Stockbetten, daneben eine Kochnische, von den Nachbarn nur mit einer Blechplatte abgeschirmt. Wir sitzen am Haus davor unter einem Baum im Schatten und bekommen als Getränk ein refresco – ein selbst gemachter Erdbeersaft, schauen uns an und meinen dasselbe, ob uns das guttut. Trotzdem trinken wir es - es wird sich dann ja zeigen. Wir reden miteinander und gehen dann zu Fuß zur Familie von Julio, mit ebenfalls 7 Kindern. Die Väter sind nicht mehr da. Die Mutter war jetzt aus irgend einem nichtigen Grund ein Jahr im Kerker von Palmasola. Wir haben sie mit einem Rechtsanwalt herausgebracht, die Sache ist jedoch noch nicht abgeschlossen, es geht um 60,- Dollar für den Grund, wo ihre Hütte steht. Die Kinder und die Übrigen freuen sich riesig über die mitgebrachten Geschenke und bieten uns Coca Cola an. Dann möchte die Mutter mit mir reden. Wir gehen in den Hinterraum, wo der Herd gestohlen wurde. Die Räume sind mit Brettern abgetrennt, der Boden aus Erde und das Dach kaputt, sodaß bei Regenzeiten Wasser eindringt, offenbar auch vom Boden. Sie schildert mir ihre jetzige Situation und zwar hätte sie kommenden Dienstag einen Termin beim Gericht, kann sich keinen Rechtsanwalt leisten und hat Angst wieder ins Gefängnis von Palmasola zurückkehren zu müssen. Ich verspreche ihr, darüber mit Rosa-Maria zu reden, die bereits die vorigen Termine vereinbart hat und die Situation kennt.
Am Sonntag nehme ich mir vor, den Tag etwas ruhiger anzugehen - es ist sehr heiß und schwül, hat etwa 35°C mit einer extrem hohen Luftfeuchtigkeit, doch ich mag die Wärme und gehe in die Stadt, kaufe mir einige Karten und setze mich auf eine Bank, um diese zu schreiben. Zudem muß ich noch das Auto für die Fahrt noch Comarapa organisieren. Die Chefin vom Hotel Copacabana (wo ich früher gelegentlich übernachtete) hilft mir dabei und organisiert den Fahrer für Montag pünktlich um 9.30 Uhr. Ich freue mich sowohl auf Comarapa als auch auf die Mittagspause in Samaipata, wo ich in den letzten Jahren immer wieder im Café Latina zugekehrt bin. Dort gibt es ein sehr gutes Essen, das Lokal ist angenehm und sauber, zudem habe ich für den Chef des Hauses eine CD von Sten Getz mitgebracht, weil ich dort immer wieder diese Art der Musik gehört habe.
Am Montag kommen noch 2 – 3 Leute zu einem Gespräch. Dann ist der Fahrer wirklich pünktlich oder überpünktlich um 9.15 Uhr zur Stelle - ich räume mein Gepäck ein und warte auf Peter, der erst später kommt und berichtet, daß es ihm vom Magen her nicht gut ginge, aber es wird schon gehen. Wir fahren gemeinsam los, es ist sehr viel Verkehr und heiß - Peter ist furchtbar übel und schlecht. Wir kommen nach ca. 3 Stunden in Samaipata an, der Fahrer wartet und wird uns in ca. 1 Stunde abholen. Wir wollen zum Lokal, doch Peter muß sich übergeben und kann sich kaum auf den Beinen halten. Wir gehen dann in das nächste Lokal hinein, bestellen etwas Wasser und Mate-Tee - die Leute dort sind sehr hilfsbereit und bemüht - Peter kann sich dann hinten auf eine Bank legen. Sie bringen ihm noch eine andere Art von Tee, der für den Magen sehr gut sein sollte. Trotzdem verschwindet er wieder im WC und muss sich übergeben. Die ganze Situation bekommt ein kleines Kind mit 7 Jahren mit und ist ganz mitfühlend und fragt mich, was ihm denn fehle. Ich sage ihm, dass ihm einfach im Magen nicht gut sei und er sich übergeben müsse. Ich warte im Raum und sehe, daß der Kleine hingeht und vor dem WC mit 3 Lagen Papier wartet. Diese gibt er dann Peter, damit er sich den Mund abwischen könne. Dieses Erlebnis ist unglaublich berührend. Mauricio bekommt dafür einen Schokoladekuchen. Wir verschieben die Weiterfahrt ein bißchen und fahren gegen 14.00 Uhr weiter - auch hier müssen wir immer wieder anhalten und kommen letztendlich um 17.30 Uhr im Convent an, wo uns die Schwestern schon herzlich erwarten und empfangen. Es gibt für Peter eine Haferflockensuppe und Zwieback. Ich habe auch keinen richtigen Hunger, zudem bekomme ich Kopfschmerzen. Sr. Christina bringt uns in unsere Unterkunft, es ist so gegen 19.30 Uhr. Peter legt sich sofort hin, ich gehe auch in mein Zimmer und muß etwas gegen meine furchtbaren Kopfschmerzen einnehmen. An Schlaf ist nicht zu denken obwohl die Müdigkeit groß ist. Erst nach Stunden und nach der Einnahme von starken Schmerzmitteln lässt der Schmerz etwas nach. Es ist jedoch an Schlaf jetzt auch nicht mehr zu denken, da vor dem „Hotel“ unzählige Hunde rumkläffen und die Fenster nicht dicht sind. In den frühen Morgenstunden hinaus gelingt es mir doch, die Augen zuzumachen. Die Hähne krähen aber leider schon um 4.30 Uhr. Ich bin jedoch froh, dass mein Kopfschmerz vorbei ist und muß erst sehen wie es Peter geht - er hat heute Geburtstag.
24.11.2013
Wir fahren mit Don Jorge und Rosa-Maria nach Saipina. Wir sollten gegen 13.00 Uhr zurück sein - die Hinfahrt dauert laut Rosa-Maria 1 Stunde und wir werden es leicht schaffen. Am Hinweg halten wir nach ca. 50 Minuten, weil Rosa-Maria ihre Mutter besucht. Dort gibt es einen Saft aus ciurela, die Mutter freut sich - es gibt zusätzlich noch chocle, so heißt ein gekochter Maiskolben und queso. Nach etwas 30 Minuten fahren wir weiter. Es dauert doch eine ¾ Stunde bis wir in Saipina ankommen - ein nettes Dorf, das Klima angenehm, zwar sehr warm aber nicht feucht - wir besuchen dort die hna. Angela. Grund dafür ist die geplante Finanzierung einer Zahnarztpraxis in der angebauten Krankenstation. Wir besichtigen die Räume - sie möchten in zwei Räumen eine Zahnarztpraxis einrichten. Der Kostenpunkt beträgt etwa 20.000,-- Dollar. Es geht um den Zahnarztstuhl, den Sterilisator und die Geräte. Die Räume sind klein und dunkel und ich besichtige dann einen riesig großen Aufenthaltsraum. Ich bespreche alles mit hna. Angela und sage ihr, sie solle doch den Warteraum halbieren um dort die Zahnarztpraxis zu errichten. Angela strahlt über das ganze Gesicht und sagt, sie hat sich dies nicht fragen getraut und es besteht bereits ein Kostenpunkt, der etwas über 20.000 Dollar steht. Ich verspreche ihr, dass ich diesen Umbau übernehmen werde. Nachher besichtigen wir das neu errichtete Krankenhaus, das jedoch noch nicht in Betrieb ist. Es sollte im Dezember eröffnet werden, doch gibt es im Operationssaal noch keine Instrumente und keine Geräte, lediglich der Operationstisch und die Lampe stehen. Der Krankenhausdirektor führt uns durch die Räume. Die Gänge sind breit und hell … am Liebsten möchte ich hier bleiben, mich um die Geräte und Instrumente kümmern und dann mit dem Operieren anfangen. Anschließend besuchen wir noch die daneben liegende Zuckerrohrfabrik und gehen dann ins Convent, wo wir zum Mittagessen eingeladen sind. Es ist schon längst 14.30 Uhr und wir fahren Richtung Comarapa. Um 16 Uhr sind wir endlich zurück - das ist aber eben die bolivianische Zeit, die nicht so genau zu nehmen ist. Wir bereiten noch die letzten Dinge für die morgigen Operationen vor. Ich bin am Abend wieder sehr müde und falle um 21.00 Uhr ins Bett - schlafen geht aber nicht, da draußen ein Rudel Hunde herumstreunt und diese einen fürchterlichen Krach machen.
Am nächsten Morgen wäre ursprünglich um 10.00 Uhr die Abfahrt nach Cochabama geplant gewesen, wegen der Operationen muß ich die Abfahrt verschieben. Nach einem kurzen Gespräch mit meinen Lieben daheim beginnen wir relativ pünktlich mit den Operationen um kurz nach 8.00 Uhr. Die letzten Eingriffe schließen wird um 14.30 Uhr ab - dazwischen sind noch einige Gespräche mit Familien eingeschoben. Don Jorge steht bereits mit seinem Jeep startbereit - nach einer herzlichen Verabschiedung fahren wir los, Don Jorge, Peter und ich. Die Kokablätter sind bereits in der Konsole zwischen den Vordersitzen - ich probiere auch, ein paar Blätter zu kauen, es schmeckt etwas bitter und die Wirkung scheint nicht einzutreten. Don Jorge hat bereits einen großen Knäuel an Kokablätter im Mund, es soll das Einschlafen verhindern und auch das Hungergefühl vermindern. Wir fahren durch eine wunderschöne Landschaft und kommen auf etwa 4.000 Meter Meereshöhe - die Straße ist fast durchwegs steinig und holprig, zum Sonnenuntergang sehen wird in der Ferne Cochabama und sind nach etwas 5 Stunden Fahrt!!! - mitten im Trubel auf der etwa 2.800 Metern liegenden Stadt. In der Regel braucht man für diese Strecke mit dem Auto 7 Stunden mit der flota 10 Stunden. Hna. Josefine erwartet uns mit 2 Brillos, die schon seit 2 Stunden auf uns warten. Es gibt ein feines Abendessen und wir gehen anschließend ins Hotel. Ich bin so müde, daß ich bald einschlafe.
26.11.2013
Comarapa – Wir treffen uns am Vormittag in der albergue, wo wir die dortigen Einwohner besuchen. Plötzlich ist ein 27-jähriger junger Mann da, der sich bei einem Unfall vor 4 Jahren eine Verletzung am Rückenmark zugezogen hat und jetzt im Rollstuhl sitzt. Er wird dort in der albergue mit Physiotherapie betreut - zuletzt zeigte sich eine deutliche Besserung, sodaß er als Portier eingesetzt werden kann. Ein Freiwilliger aus Deutschland ist insgesamt 1 Jahr hier und betreut die Leute im Altenwohnheim. Es sind ungefähr 20 Leute die in einem Kreis sitzen, einen Ball hin und her spielen und sich sichtlich damit vergnügen. Zu Mittag sind wir im Convent zum Mittagessen eingeladen und am Nachmittag kommen einige Patienten, die wir für die Operation am Donnerstag vorbereiten. Nachher sind wir noch in der guarderia, wo uns die Kinder mit großer Freude besuchen. Der Kindergarten ist jetzt leer, da die Ferien bereits begonnen haben. Zum Abendessen sind wir wieder im Convent - ich räume die mitgebrachten Geschenke, Farbstifte, Malbücher und Pullover für die Kinder aus, die hna. Maria im Kindergarten verteilen wird. Nachher führt uns Jose Roberto in eine noch ärmere Gegend außerhalb des Zentrums und zwar sind hier alte Häuser aus Lehm und Stroh gebaut, in denen noch die vinchuccas wohnen, die die Chagas - Erkrankung übertragen. Man schätzt, dass 30 % der Bevölkerung in Bolivien mit der Chagas infiziert ist. Die Besitzerin des Hauses - die dieses jetzt umbauen will - zeigt uns die alten Mauern und Lehmwände sowie das Strohdach, daneben eine weitere solche Hütte, in welcher eine Frau lebt. Sie sitzt am Boden, daneben ein kleines Kind mit etwa 4 Jahren, gegenüber ein Junge mit 15 Jahren, ebenfalls am Boden - sie schlürfen eine Brühe, die sie aus einem großen Topf in eine Schüssel leeren. Der Raum ist etwa 3 x 2 m² groß, an einer Ecke ein Bett wo sie offensichtlich zu dritt schlafen. Ich darf ein paar Fotos machen. Sie freuen sich darüber wenn sie das Bild ansehen können - ich gebe dafür eine paar Pesos und ihre Augen glänzen. Es ist bereits finster und es gibt kein Licht. Am Weg zurück in den Convent geht mir diese Familie nicht mehr aus dem Kopf. Nachher gibt es noch eine cerveza aus der Dose - gut gekühlt, das tut gut.
29.11.2013
Um 9.00 Uhr treffen wir uns im Konvent. Mit Don Jorge und Peter fahre ich dann zur Brücke, wo die cleferos wohnen. Wir kommen hin - einige davon kennen mich von den früheren Jahren und kommen uns mit offenen Armen entgegen ... verschmutzt, verdreckt, stinkend, mit zerfetztem Gewand, heruntergekommen, zum Teil halluzinierend, zum Teil abwesend, jedoch alle mit strahlenden Augen. Ich bringe ihnen ein paar Kekse und Süßigkeiten mit. Sie bedanken sich herzlich und freuen sich riesig über den Besuch - einige erzählen von ihrer Geschichte, von ihrer Arbeit die sie mit Auto putzen verrichten und so vergeht die Zeit im Nu. Eine Frau im Park hat Essen aufgestellt, 2 große Töpfe mit Essen für die Chauffeure von den flotas. Sie ist bereit, einen Teil davon für die cleferos zu verkaufen. Sie verpackt die Suppe und el segundo in Plastiktüten, die wir dann zu den Kindern hinbringen, die das Essen mit riesigem Hunger verzehren. Am Nachmittag treffen wir uns im Konvent mit einigen Brillos. Sie haben viel zu erzählen und freuen sich über den Besuch - wir besprechen das weitere und zwar, dass wir am Sonntag gemeinsam einen Ausflug machen, so wie jedes Jahr. Wir möchten zum "Cristo" wandern.
30.11.2013
Um 9.00 Uhr holt uns Mirtha ab und wir fahren mit dem Taxi nach Camparanco. Dort sehen wir bereits vor dem Haus einige Leute stehen - es wird das Tor geöffnet und hinter dem Tor stehen 150 Kinder, die uns mit riesigem Jubel und Konfetti begrüßen und uns fast übertrampeln. Die Freude ist groß - wir sprechen mit den einzelnen Gruppen - sie haben immer wieder unendlich viele Fragen. Wir führen Gespräche gemeinsam mit den Kindern aber auch mit Einzelnen alleine. Sie erzählen ihre Probleme, wir schreiben alles auf und werden das nachher noch mit Mirtha besprechen, wie und was wir finanzieren können. Es ist eine Mutter dabei die berichtet, dass ihr 10-jähriges Kind im Krankenhaus liegt und einen Kopftumor hätte. Die Mutter bringt den histologischen Befund mit - eine genauere Aufarbeitung soll in La Paz erfolgen. Dazu möchte sie das Geld in der Bank hinterlegen um die Untersuchung durchführen zu lassen. Die Eltern sind jedoch mittellos und ich verspreche Ihnen, dass ich am Montag ins Hospital kommen werde um mit den zuständigen Ärzten zu reden und Befunde einzuholen. Das 10-jährige Kind hatte starke Kopfschmerzen mit Erbrechen und Doppelbildern, wurde dann eingeliefert und in zwei Sitzungen notoperiert - der histologische Befund beschreibt einen bösartigen Hirntumor. Der kleine Bruder kommt auch zu einer Visite und erzählt, er hätte auch immer wieder Kopfschmerzen und kann die halbe Nacht nicht schlafen. Die Situation hat die Familie natürlich sehr mitgenommen, der kleinste Bruder ist jedoch gesund. Gegen Mittag gibt es Hühnchen - die Kinder essen mit Genuss - Messer und Gabel gibt es nicht, dafür aber Hände. Nach einem Blick in die Küche beschließe ich, nicht mitzuessen. Peter hat keine Bedenken. Ich trinke nur ein Mineralwasser aus einer verschlossenen Flasche. Nun verabschieden wir uns von den Kindern und Müttern und fahren gemeinsam mit Mirtha nach Sacaba, etwas außerhalb von Cochabamba gelegen, wo wir die Familie von Gustavo besuchen. Gustavo hat sich inzwischen relativ gut entwickelt. Er war ursprünglich als taubstumm eingestuft, kann jetzt mit dem bezahlten Hörgerät etwas hören und sogar einige Silben aussprechen. Er freut sich riesig über den Besuch und war schon den ganzen Tag und am Tag zuvor aufgeregt. Wie er mich im Auto aussteigen sieht, kommt er mir mit fliegenden Armen entgegen und umarmt mich ganz herzlich. Wir gehen in den Innenhof des ärmlichen Hauses, die Mutter und Tante sowie Angehörige sind dabei - es gibt wieder etwas zu Essen. Ich esse nichts, Peter hat auch keinen Appetit, Mirta isst einen vollen Teller, ihr Mann kommt dann dazu und ißt den Rest auf und auch die anderen haben einen guten Appetit. Dazu gibt es refresco, ich habe keinen Durst. Am 01.12.2013 ist um 9.00 Uhr ein Treffen im Convent geplant, um dann zu Fuß zum Christus hinaufgehen. Es ist dies auf einer Anhöhe, wo eine über 40 Meter hohe Christusstatue steht und ein Wahrzeichen für die Stadt ist. Zudem ist an diesem Tag "dia del pieton", es fährt kein Auto - man kann nur mit dem Rad fahren oder zu Fuß gehen. Dazu organisiere ich, daß einige von den Brillos eine Unterkunft in der Nähe des Konvents bekommen, da sie sonst den Konvent morgen nicht mehr rechtzeitig erreichen, um gemeinsam wegzugehen. Am Abend findet noch ein Gespräch mit sna. Mirtha statt, die zuständig ist für das Projekt für "fe y alegria" in Champarancho - wir finanzieren dort das Essen, das die Kinder (etwa 150) und einige Mütter einmal in der Woche bekommen. Geplant ist ein Treffen mit den Kindern dort und dann einige Untersuchungen bzw. Visiten von Patienten in dieser Gegend.
Spät am Abend kommen wir ins Hotel zurück, ich bin hundemüde, es melden sich dann noch Xavier, Richard, Ismael und Yasmani, die noch am Abend kommen und in einer Unterkunft nahe dem Hospital Platz finden, um am Tag darauf zum Ausflug hier zu sein. Ich falle todmüde ins Bett.
01.12.2013
Am Sonntag, 01.12.2013 ist wieder wunderschönes Wetter, wie heuer jeden Tag. Nach einem gemütlichen Frühstück treffen wir uns um 9.00 Uhr vor dem Konvent. Drei der Brillos sind bereits hier, die anderen haben etwas Verspätung, es kommen drei weitere dazu, insgesamt sind es dann 8. Einige müssen am Sonntag arbeiten, sodaß wir dann gemeinsam per pedes zum Christus hinauf wandern - es sind einige 1000 Stufen zu erklimmen. Oben angekommen haben die Brillos wieder Hunger, sie bekommen etwas zum Essen und dazu ein kleines Bier. Nachher geht es wieder zurück. Es ist brütend heiß. Die Gruppe wünscht sich ins Schwimmbad zu gehen - ich gebe ihnen das Geld - sie gehen zusammen hin - ich ziehe mich zurück um mich auszuruhen und trinke gemütlich ein Bier. Am Abend um 19.00 Uhr treffen wir uns wieder und gehen gemeinsam Essen. Sie alle haben wieder riesigen Hunger.
02.12.2013
Nach einem ruhigen feinen Frühstück mit frischem Brot und Marmelade fahren wir zur Brücke hin, wo die cleferos bereits auf uns warten, sie erzählen uns wiederum ihre Geschichten. Sie wollen dann Arbeiten gehen, das heißt Auto putzen an der Plaza, wohin wir sie begleiten. Auf dem Weg dorthin gibt es einen Stand, wo eine Frau Essen ausgibt. Alle haben Hunger und bekommen eine Suppe, die sie mit riesigem Hunger essen. Nachher begleiten wir sie dann hin zum Platz, wo sie - sobald die Ampel rot ist - Autoscheiben putzen. Einige sind sehr fleißig, einige sind aber bereits eingetrübt von der Schnüffeldroge, andere sind zum Teil ganz weggetreten....
Ich treffe mich zu Mittag noch mit einigen Bekannten. Peter ist dann im Convent, wo ich gegen 14.00 Uhr eintreffe. Es warten vor der Tür bereits etwa 30 Leute, die mit mir reden wollen. Ich merke bereits, dass mir im Magen flau ist und der Darm verrückt spielt. Ich schaffe es gerade noch ins Hotel, wo es mich "durchräumt"..... Offensichtlich habe ich trotz genauer Vorsicht etwas aufgefangen. Mirtha muss etwas warten, und wir gehen dann zu Fuß zum Hospital hin, wo wir Limbert treffen der kahlgeschoren im Bett liegt, bereits alles bewegen kann, nur noch Doppelbilder hat, jedoch keine Kopfschmerzen und keinen Brechreiz mehr. Ein junger Arzt kommt vorbei - ich frage ihn, ob ich mit dem Neurochirurgen reden könnte. Er sagt mir aber, dass ein gewisser Dr. Flores nicht im Hause sei. Auf die Frage, ob ich die Röntgenbilder ansehen könnte, meint er, ich müsste ein schriftliches Ansuchen stellen, welches dann genehmigt werden würde. Er ist überhaupt nicht kooperativ, sehr unsicher und inkompetent, sodass ich mich zu einer Ärztin vorarbeite, die angeblich in der pädriatrischen Ambulanz arbeiten sollte. Dort ist sie jedoch nicht, sodass ich wieder etwas entmutigt auf die Station zurückkehre, und - siehe da - dort sagt mir ein anderer Arztkollege, dass Dr. Flores bereits auf der Station sei. Es gelingt mir dann mit ihm zu reden – Dr. Flores zeigt mir in Ruhe, sehr kompetent und sehr freundlich die CT–Bilder vom Gehirn des Kindes und erklärt die Situation - was alles gemacht wurde und was bis jetzt der histologische Befund zeigt. Es hängt nun vom endgültigen histologischen immunhistochemischen Befund ab, wie die Prognose der bösartigen Erkrankung des Hirntumors ist bzw. ob eine zusätzliche Chemotherapie durchgeführt werden sollte. Die Eltern des Patienten sind auch vor Ort, bemühen sich sehr um das Kind, sie haben jedoch kein Geld, um das Präparat für die genaue feingewebliche Untersuchung nach La Paz zu schicken. Ich übernehme diese Kosten von ca. 700 Bolivianos. Zusätzlich haben sie kein Geld, um die Operationskosten und den Aufenthalt zu finanzieren. Auch diesbezüglich werde ich mich kümmern. Da ich mich mit neurologischen Befunden oder Neurochirurgie überhaupt nicht auskenne, rufe ich Katrin an, die mir bestätigt, dass der angegebene histologische Befunde in diesem Alter eigentlich untypisch bzw. unwahrscheinlich ist, was mich natürlich zusätzlich verunsichert. Wir werden auf jeden Fall noch zunächst den immunhistochemischen Befund abwarten, um uns dann um den kleinen Patienten weiterhin zu kümmern.
Viele Gedanken kommen mir durch den Kopf. Wie viele Kinder und Patienten gibt es hier die niemanden haben, der finanziell hilft, die auch keine Möglichkeit einer Behandlung haben, bzw. überhaupt keinen Zugang zu einem Arzt. Diesen Gedanken kann ich fast nicht ertragen. Zudem spielt mein Darm verrückt, vielleicht ist das psychisch ......
Zurück im Hotel kann ich mich ein bisschen entspannen. Geplant ist um 19.30 Uhr ein Abschlusstreffen mit Hna. Josefine, wo wir alle besprochenen Fälle noch einmal durchgehen und überlegen, wie viel wir Unterstützung geben können und wollen. Josefine weiß, dass mein Darm verrückt spielt. Sie meint es gut und kocht mir eine Art Reis mit Wasser, Zimt und etwas Zucker - ich esse zwar ein paar Löffel, es ist jedoch nicht gut, dazu etwas Tee. Josefine und Peter essen Hühnerfleisch mit Gemüse, gut gewürzt, Papas und Brot. Josefine hat für uns einige Geschenke vorbereitet, die wir dann öffnen. Und dann kommt noch die große Überraschung. Im Rat mit den Oberen ist am letzten Freitag besprochen worden, dass es grünes Licht gibt für das Haus für die Cleveros. Wir werden jetzt alle Hebel in Bewegung setzen, um dieses Projekt endlich fertig zu stellen. Nach einem herzlichen Abschied kehre ich zurück zur Unterkunft. Die Signora des Hotels bestellt noch ein Taxi für den nächsten Tag, an dem wir bereits um 5.45 Uhr zum Flughafen fahren müssen, da der Flieger um 7.10 Uhr nach Santa Cruz geht.
03.12.2013
Beim Aussteigen vom Flieger schlägt uns eine schwüle Hitze entgegen - man kann fast nicht atmen. Das Klima hier in Santa Cruz ist im Vergleich zu Comarapa und Cochabamba phasenweise für viele Leute fast unerträglich. Ein Taxi bringt uns ins Kolping, wo wir das Zimmer beziehen. Ich sitze nun hier im Innenhof von Lorca, trinke ein Mineralwasser und einen Mate-Tee. Mein Darm ist immer noch nicht in Ordnung - es geht mir aber sonst gut und ich fühle mich nicht krank. Es wird schon wieder. Die kommende Woche ist noch anstrengend, sodass ich heute den Nachmittag gemütlich angehe. Peter hat einige Verpflichtungen und ich genieße es hier im Schatten zu sitzen mit etwas Musik im Hintergrund. Es ist sehr heiß - ich kann mir gar nicht vorstellen, dass es daheim Minusgrade und Schnee gibt. Am Abend treffen wir uns mit Rosa Maria, um den Plan für morgen zu besprechen - zusätzlich muss ich zwischen dem Chauffeur und der Generalpriorin aus Deutschland übersetzen.
04.12.2013
Sr. Scholastika wird verabschiedet und fliegt heim.
Es sind bereits Leute bei mir, die mit mir sprechen wollen. Am Nachmittag treffen wir uns dann mit Rosa-Maria und mit Estanislao fahren wir in die Peripherie von Santa Cruz, um die Gründe für die geplante Schule anzuschauen. Es gibt drei Möglichkeiten - eine davon neben der bereits gebauten guarderia, der zweite Grund liegt etwas weiter weg und einer davon relativ weit in der Peripherie, der wegen dieser Entfernung somit nicht in Frage kommt. Der Besitzer des Grundes ist nicht anwesend, sodass wir auf das Wochenende warten müssen, um über den Preis zu diskutieren.
05.12.2013
Krampustag - hier ist es nach wie vor heiß und schwül. Am Nachmittag ist ein Treffen mit den Studenten in colegio geplant, mit denen wir gemeinsam Pizza machen. Dazu muß ich vorerst in einem sogenannten Hypermaxi einkaufen. Ich brauche Tomatensoße, Käse (hier heißt es Muzarella ) sowie die übrigen Zutaten für die Pizza. Um ca. 15.00 Uhr werden wir abgeholt und fahren zum colegio. Hefe und Öl muss man erst holen - Mehl ist vorhanden, sodass ich dann von etwa 3 kg Mehl Pizzateig anmache. Dieser geht schön auf - inzwischen haben die Studenten und Studentinnen den Käse klein geschnitten sowie die Zutaten vorbereitet. Es ist ein großes Fest und es freuen sich alle. Es kommen insgesamt etwa 80 Leute, die alle die Pizza sehr gerne essen. Ich bin nach wie vor mit meinem Darm nicht okay, sodass ich gar nicht einmal probieren kann, habe auch keinen Hunger sondern nur Durst - wie gerne hätte ich nun ein kleines kühles Bier. Rosa-Maria sieht das in meinen Augen und holt eines aus dem Kühlschrank, sie hatte es vorbereitet … ich bin gerettet. Der Abend dauert noch lange bis wir in die Unterkunft zurückfahren - ich falle todmüde ins Bett.
06.12.2013
Nikolaustag. Bereits um 8.00 Uhr fahren wir zu einer Familie in die Peripherie von Santa Cruz, die wir besuchen. Es hat in der Nacht stark geregnet und das ganze Haus sowie die Umgebung stehen unter Wasser - auch im Inneren ist Wasser, was hier keine Seltenheit ist. Das Haus ist großteils aus Stroh und Lehm gebaut, sodass es auch bei stärkerem Regen vom Dach in das Innere rinnt. Es wohnen 12 Leute hier, alle in einem Zimmer - daneben eine armselige Küche und ein kleiner Abstellraum. Der Schlafraum ist vollgesteckt mit Kleidung und anderem Krims–Krams. Es ist sehr schwül und heiß geworden - das kleine 5 Monate alte Kind hat Fieber, was mich bei dieser Umgebung hier nicht wundert. Am Vormittag sind wir dann im Krankenhaus Hernandes Vera, wo ein Jubiläum des 50-jährigen Bestehens des Krankenhauses gefeiert wird. Wir treffen uns mit der Direktorin Dra. Mari Luz Almendros und Dr. Menacho. Sie berichten begeistert von dem damals eingerichteten Sauerstoffgenerator, der gut funktioniert. Zusätzlich besprechen wir nochmals die Situation der minimal invasiven Chirurgie, wo ein Gerät angeschafft werden soll, welches das Krankenhaus jedoch nicht bezahlen kann. Ich verspreche, daß ich diesbezüglich helfen kann. Zu Mittag sind wir bei der Familie von Dr. Menacho eingeladen - es gibt das typische "majadito al charque, ein Reisgericht mit getrocknetem Schweinefleisch dazu Apfelsaft. Am Abend treffen wir uns mit den Jugendlichen und der Direktorin Hna. Rosa Maria in der Casa del Camba. Geplant waren 30 Leute, es kommen aber insgesamt in etwa 60 Leute. Jeder nimmt seine Schwester oder seinen Bruder mit. Es gibt dort gutes Essen mit Musik - einige tanzen dazu. Wir bleiben mit einer Gruppe bis etwa 1.00 Uhr morgens.
07.12.2013
Nach einem kleinen Frühstück tausche ich mit Peter noch die gemachten Fotos aus - es sind insgesamt über 3000. Dann wird Peter von Daniel mit dem Auto abgeholt und zum Flughafen gebracht. Anschließend kommen noch einige Familien ins Haus, mit denen ich spreche. Auch am Nachmittag sind viele Termine am Plan. Später findet ja die große Promotion statt, so heißt hier die Feier der Maturanten. Es sind dies insgesamt 70 Schüler, die den Abschluß geschafft haben und mit einer großen Zeremonie geehrt werden. Jeder Einzelne marschiert entweder mit Mutter, Vater oder Geschwister vor und wird mit einem Diplom geehrt - Musik spielt dazu und die ganze Feier dauert etwa 4 Stunden. Ich sitze in den ersten Reihen, muß auch einige Diplome übergeben und letztendlich auch eine Ansprache halten. Der sonst als Sportplatz vorgesehene überdachte Raum ist bis zum letzten Platz gefüllt. Einige Kinder spielen in den ersten Reihen herum, Hunde sind auch dabei, die Mikrophone sind verstärkt und das ganze Spektakel bis weit über das Colegio hinaus zu hören. So gegen 22.00 Uhr ist dann die Vorstellung zu Ende. Die Maturanten bekommen ein Plastikglas bodenbedeckt mit einem Cidre, das sie eine Stunde lang halten und erst dann auf ihren Abschluß anstoßen können. Anschließend gehen alle Beteiligten zu ihren Familien und es wird bei einigen daheim weiter gefeiert. Ich bin bei der Familie von Ronny eingeladen. Der ganze Vorgarten ist mit ausgeliehenen Plastiktischen und Stühlen besetzt. Eine laute Musik kommt über übergroße Lautsprecher und schallt von der Mauer in alle Richtungen. Ich trinke ein Cerveza Huari und kann den Lärm fast nicht aushalten, bin jedoch Padrino für Ronny, das heißt für ein Geschenk und einen Teil der Kosten zuständig und sollte nicht als Erster die Feierlichkeit verlassen. Nach dem zweiten Bier und der Geschenksübergabe („Tennis“ = Sportschuhe) verabschiede ich mich und sage, daß ich wegen Kopfschmerzen weg müsse. Inzwischen wird getanzt und im nachhinein erfahre ich, daß die Feier bis in die Morgenstunden gedauert hat, was hier sehr üblich ist.
08.12.2013
Bereits frühmorgens kommen die ersten Leute. Mittags bin ich bei Hna Rosa Maria zum Essen eingeladen, anschließend erfolgt die Abschlußbesprechung. Inzwischen bekomme ich grünes Licht für den Grund, welchen wir für die geplante Schule kaufen. Es wird ein Gemeinschaftprojekt sein mit den Arenberger Dominikanerinnen, dem Patre Istanislavo und mir. Wahrscheinlich wird der Grund in der Nähe der bereits bestehenden guarderia gekauft, um Schritt für Schritt die Schule für die Umgebung zu bauen. Es gibt dort viele Familien, die ihre Kinder nicht zur Schule schicken können, weil diese zu weit entfernt ist und/oder die finanziellen Mittel dazu nicht reichen. Zudem ist das Verständnis für die Wichtigkeit der Schule in vielen Fällen nicht vorhanden. Geplant ist auch der Bau eines Hauses, in welchem die Kinder und Jugendlichen eine Möglichkeit zum Studium haben, weil vielfach daheim die Familien in einem Raum schlafen, wohnen und essen und somit keine Möglichkeit zum Lernen besteht. Außerdem ist dort in diesem Bereich auch ein Fußballplatz geplant, wo sie sich dann auch zur sportlichen Betätigung treffen können. Es wird in jedem Fall mehrere Bauphasen und Baustufen geben. Wir rechnen mit einem Zulauf von etwa 2.000 Kindern und Jugendlichen. Anschließend ziehe ich mich zurück, um die letzten drei Wochen Revue passieren zu lassen und Aufzeichnungen durchzuführen. Es ist Zeit, die Koffer zu packen, weil ich morgen am 09.12.2013, wieder heimfliegen werde. Ich bin zufrieden mit den letzten drei Wochen, es gab viel Neues, viele tiefgehenden Erlebnisse, viele traurige Begegnungen, jedoch auch viele schöne Eindrücke. Insgesamt laufen die bestehenden Projekte sehr gut, auch bezüglich der Zukunft bin ich mit dem Programm für die neuen Projekte sehr zufrieden. Ich freue mich riesig auf daheim, auf trinkbares Wasser vom Wasserhahn, auf eine nicht nur tröpfelnde Dusche, auf einen guten Kaffee, auf ein paar gute Nudeln, einfach nur auf ein sauberes Bett und einen sauberen Boden, aber ganz besonders auf Katrin.
09.12.2013
Bereits um 7.00 Uhr kommt Jhonny mit seinem Vater. Jonny ist jetzt 17 Jahre alt, hat im Alter von 3 Wochen durch das Einklemmen der Beine am Bus beide Beine verloren – ein Bein in Höhe des Oberschenkels, das zweite Bein in Höhe der Hüfte. Er wird bereits seit mehreren Jahren mit Prothesen versorgt, welche alle 2 – 3 Jahre getauscht werden müssen, weil durch das Wachstum diese dann zu kurz bleiben. Wenn man ihn so kommen sieht glaubt man gar nicht, daß er beide Beine mit Prothesen versorgt hat - er kann nämlich relativ gut gehen und spielt sogar damit Fußball. Sein Vater hat eine Arbeit, kann jedoch für diese Ausgaben nicht aufkommen. Jhonny geht zur Schule und fühlt sich dort wohl. Auf die Frage, wie er mit seiner Situation zurecht kommt, kommen ihm die Tränen und er sagt: "Sigo adelante, pero a veces prefereria la muerte ..." Er dreht sich weg ....
Es kommen noch 2 – 3 Leute um sich zu verabschieden. Die Koffer sind bereits gepackt. Daniel kommt mit seiner Lebensgefährtin und einigen anderen von colegio, um mich abzuholen. Letztendlich sind es 15 Leute, die mich zum Flughafen begleiten. Gegen Mittag geht der Flieger Richtung Sao Paolo, wo wir auch zeitgerecht ankommen. Der Weiterflug geht mit einer Maschine 747 Boeing nach Frankfurt. Die Passagiere sind bereits alle in der Maschine - diese rollt auf die Startbahn und es erfolgt der letzte Check. Der Kapitän gibt dann die Durchsage durch, daß eine Kleinigkeit an der Maschine kontrolliert werden müsse. Nach ca. einer Stunde erfolgt eine weitere Durchsage, daß ein Defekt an einem Triebwerk bestünde, welcher in den nächsten drei Stunden nicht zu reparieren sei, sodaß wir allesamt den Flieger verlassen und am Flughafen die aufgegebenen Koffer entgegen nehmen müssen. Der Abflug wäre um 19.00 Uhr geplant gewesen - inzwischen ist es 22.00 Uhr. Wir warten im Flughafen auf den Bus, der erst so gegen 2.30 Uhr in der Früh kommt, um uns in verschiedene Hotels zu verteilen. Dort muß man wiederum zum Einchecken warten. Ich bekomme ein Zimmer im 24. Stock des Hotels. Nach einer feinen Dusche schlafe ich 5 Stunden - vorher wird durchgegeben, daß am nächsten Tag um 11.00 Uhr eine Auskunft über den Weiterflug gegeben werden solle. Um 3.00 Uhr jedenfalls schlafe ich bis 8.00 Uhr, dann gibt es einen guten Kaffee, jedoch für alle dort untergebrachten Passagiere keine Auskunft. Die Rezeption verweist uns auf 11.00 – 11.30 Uhr. Um diese Zeit ist jedoch niemand vorhanden und es weiß niemand Bescheid, sodaß wir bis um 13.00 Uhr warten. Es kommt eine unfreundliche Dame, die einige Kuverts abgibt. Diese werden geöffnet und es finden sich darin einige Tickets, die verteilt werden. Alle Passagiere sind auf mehrere Flüge in alle Richtungen nach Europa umgebucht - mein Ticket ist nicht dabei, sodaß ich im Internet bei Check my trip nachschaue und sehe, daß mein Flug um 18.00 Uhr über London nach Frankfurt und Innsbruck geht. Einige sind dabei, die überhaupt keine Informationen bekommen. Ich fahre mit anderen Leidtragenden auf eigene Faust mit einem Bustransfer zum Flughafen, checke dort ein und bin bereits registriert - der Flug geht deutlich verspätet Richtung London. Dort müssen wir wegen Unwetter und schlechter Sicht insgesamt 4 Runden fliegen, um landen zu können. Der Abflug von dort ist dann ebenfalls weit verspätet, sodaß wir den Anschlußflug in Frankfurt nach Innsbruck versäumen - auch dort sind wir bereits umgebucht und der Flug geht schließlich am Abend Richtung Innsbruck, wo ich nach etwa 3 Tagen Reise ankomme. Aber die Gepäckstücke sind alle angekommen. Erst in den nächsten Tagen wird mir bewußt, daß es ein Glück war, daß man den Triebwerkschaden noch vor dem Abflug entdeckt hat.
Ich freue mich so sehr daheim zu sein, daß ich die Strapazen vergesse. Die "Seele" ist aber noch nicht angekommen - es wird wohl noch ein bißchen dauern, doch das kenne ich. Eine feine Dusche, ein Glas Wasser, ein Teller Spaghetti, für einige Zeit kein "pollo" mehr und vieles andere machen mich sehr zufrieden.